
Auch im militärischen Alltag waren manchmal erhebliche Mengen Alkohol im Spiel. Im Umgang mit Drogen ist eine Armee im Grunde ja schließlich ein Spiegel der Zeit und der Gesellschaft. Doch was passiert mit einem, der nicht mehr mitsaufen möchte? Der preußische Offizier Curt von Knobelsdorff hat es gewagt und seine Alkoholkrankheit überwunden. Geholfen hat ihm der Glaube und das christliche Hilfswerk Blaues Kreuz zu dessen Pionier er wurde.
Ein Offizier wird entlassen wegen Nüchternheit: Der schwierige Weg aus der Alkoholabhängigkeit
Für Curt von Knobelsdorff war der Weg ins Militär bereits vorgezeichnet: So entstammte er doch einer alten Adelsfamilie, bei der die Offizierslaufbahn zur Familientradition gehörte. Als einziger Sohn hatte der am 31. Januar 1839 in Berlin geborene Knobelsdorff keinerlei Chancen, sich dem zu entziehen, obwohl er charakterlich als hochsensibler und künstlerisch begabter Junge beschrieben wird. "Fähigkeiten, die ihm in seiner militärischen Laufbahn eher hinderlich als dienlich sein mussten" (Werther 1989, 5).
Mit 11 Jahren kam er in ein Militärinternat in Potsdam. Eine Zeit, die er, von Heimweh geplagt, als beengend empfunden hat. Bereits als junger Mann besserte Alkohol seine Stimmungslage auf. Als Junger Leutnant war er bei Geselligkeiten in bester Weinlaune sehr beliebt. Nach standesgemäßer Heirat und Versetzung des Regiments nach Mainz ließ das junge Paar gesellschaftlich kein Fest und keinen Ball aus. Der allseits geschätzte Knobelsdorff mit einem stets wachsenden Freundeskreis wurde zum Kasinodirektor ernannt. Im preußischen Militär schien eine Karriere unausweichlich. So kämpfte er später z.B. im deutsch-französischen Krieg 1870/1871. Doch bei aller persönlicher und gesellschaftlicher Anerkennung lag ein Schatten über seinem Leben: Knobelsdorff war alkoholabhängig.
Ende der 70'er Jahre bekam er in der Schweiz während einer Reise Kontakt zu Vertretern der zeitgenössischen Erweckungsbewegung. Bis dahin war das Christentum für ihn lediglich eine selbstverständliche gesellschaftliche Konvention. Nun erlebte er eine ganz persönliche Bekehrung und wollte ernst machen mit einem christlichen Leben. Daher zog er sich vom gesellschaftlichen Leben mehr und mehr zurück und besuchte Gottesdienste und Gesprächskreise. Der intensive Kontakt zu Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten war zu seiner Zeit alles andere als standesgemäß und brachte ihn beruflich in Schwierigkeiten.
Den Alkohol konnte Knobelsdorff zunächst nicht besiegen. Auf Zeiten längerer Abstinenz folgten immer wieder Rückfälle. Doch das gesellschaftliche Ansehen hatte er eingebüßt. Alkoholverzicht galt in seinen Kreisen schließlich als "gesellschaftswidriges Verhalten" (Klemmert 1990, 23). Dies brachte ihm eine Strafversetzung nach Königsberg ein. Um seine Reputation nicht gänzlich zu verlieren, versuchte er sich bei gesellschaftlichen Anlässen immer wieder in Maßhaltung beim Trinken. Es folgten katastrophale Abstürze und mehrmalige Versetzungen. 1887 folgte der alkoholbedingte Zusammenbruch. Doch bei seiner verzweifelten Suche nach Hilfe war er auf die Pilgermission St. Chrischona aufmerksam geworden und darüber auch auf das Blaue Kreuz. Nach einem Aufenthalt in einem Lazarett bei Breslau erklärte er nach seiner Genesung seinen konsequenten Verzicht auf Alkohol und den Beitritt zum Blauen Kreuz. Seine militärische Laufbahn gab er auf.
Fortan widmete sich Knobelsdorff ganz der Sache des Glaubens und besuchte die Evangelistenschule St. Chrischona in der Schweiz. Nach Abschluss der Ausbildung zog es ihn nach Berlin. Von hier aus baute er, der gerettete Trinker, als "Bahnbrecher des Blauen Kreuzes in Deutschland" (Klemmert 1990, 24) bis zu seinem Tod 1904 die Arbeit des Verbandes im Kaiserreich auf. In einer modernen Großstadt war er damit damals ein Pionier. Nach umfangreicher Predigt-, Seelsorge-, Seminar- und Evangelisationsarbeit starb Knobelsdorff am 4. Januar 1904 in Berlin. Bestattet wurde Curt von Knobelsdorff hier auf dem Garnisonfriedhof am Columbiadamm.
Mit Jesus zum Entzug: Die Arbeit des Blauen Kreuzes in Deutschland
Das Blaue Kreuz ist eine in den 80'er Jahren des 19. Jh. in der Schweiz gegründete christliche Bewegung, die sich der Suchtkrankenhilfe verschrieben hat. Insbesondere der Kampf gegen den Alkohol steht im Mittelpunkt der Arbeit. Das Blaue Kreuz versteht sich als überkonfessionell, geht aber aus Strömungen des Protestantismus hervor, die im weiteren Sinne der Erweckungsbewegung nahe stehen. Die Bewegung, die in verschiedenen Verbänden sehr professionell organisiert ist, stellt die vollständige Abstinenz eines alkoholkranken Menschen und seines Umfelds in den Mittelpunkt. Ebenso ist die Bewegung geprägt von einem starken persönlichen Bezug zu Jesus Christus und einer davon geprägten unmittelbaren "erweckten" Frömmigkeit. Das Blaue Kreuz bietet in 16 Landesverbänden ein breites Spektrum an ehren- und hauptamtlicher Arbeit mit bundesweit über 1.000 Selbsthilfegruppen an.
Quellen und Literatur:
- Heinz Klemmert, Das Blaue Kreuz in Deutschland - Mosaiksteine aus über 100 Jahren evangelischer Sichtkrankenhilfe, Blaukreuz-Verlag Wuppertal, 1990
- Sabine Werther, Curt von Knobelsdorff - Ein Bahnbrecher des Blauen Kreuzes, Blaukreuz-Verlag Wuppertal, 1989
- "Baues Kreuz", in: Wikipedia, Online-Enzyklopädie, Abgerufen am 09.01.2025: https://de.wikipedia.org/wiki/Blaues_Kreuz
- https://www.blaues-kreuz.de/de/berlin-brandenburg/landesverband-berlin-brandenburg
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