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Kolonialgedenken auf dem Friedhof Columbiadamm: Kommt der Schutztruppenstein nun ins Museum?

Der Hererostein auf dem Friedhof Columbiadamm

Wie geht es weiter mit dem Schutztruppenstein? Zu dem umstrittenen als "Hererostein" bekannten Gedenkstein auf dem Friedhof Columbiadamm in Neukölln hat die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln am vergangenen Mittwoch, den 22. Januar 2025 einen Entschluss gefasst: Der Stein soll weg. Vorausgegangen ist dem eine intensive Suche nach einem richtigen Umgang mit diesem schwierigen Erbstück kolonialer Vergangenheit. Denn der Schutztruppenstein ehrt auf dem historischen Garnisonfriedhof am Columbiadamm 7 Offiziere und Soldaten der preußischen Armee, die am Völkermord an den Herero und Nama von 1904-1907 im heutigen Namibia teilgenommen hatten. Mit der Verlegung des Steins in ein Museum und der Kontextualisierung des Täter-Gedenkens möchte der Bezirk Neukölln mit der bisherigen Tradition brechen und am jetzigen Standort dem Gedenken an die Opfer Raum geben. 

 

Verbannung durch BVV-Beschluss: Kommt der Stein nun weg?

 

Nach dem beschlossenen Antrag der Fraktionen Grüne, SPD und Linke soll der Schutztruppenstein vom Friedhof Columbiadamm bzw. Garnisonfriedhof entfernt und museal aufgearbeitet werden. Vor Ort soll aber weiterhin an den Völkermord an den Herero und Nama erinnert und auch über die jahrelange Auseinandersetzung um die richtige Art des Gedenkens informiert werden. Wie in den vorausgegangenen 2 Jahren sollen dabei Vertreter*innen der betroffenen Communities, postkolonialer Gruppen und der Zivilgesellschaft der afrikanischen Diaspora einbezogen und am Konzept beteiligt werden. Nach Ansicht der Antragsteller*innen werde damit das Ziel, das ehrende Gedenken an die Täter zu überwinden, am konsequentesten erreicht. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialvergangenheit sei an einem Museumsstandort besser möglich, als auf dem Garnisonfriedhof. Dies entspräche auch den Wünschen der betroffenen Communities. Im Gespräch ist hier entweder das Museum Neukölln oder die Zitadelle Spandau. In Spandau werden z.B. in der Dauerausstellung "Enthüllt - Berlin und seine Denkmäler" bereits zahlreiche Denkmäler kuratiert und kontextuell eingebettet, die aus dem öffentlichen Raum entfernt worden sind.  

 

Bereits vor 2 Jahren hatte die BVV beschlossen, für den Schutztruppenstein ein neues Gedenkkonzept zu entwickeln mit der Perspektive, den Stein zu entfernen. Dem folgten eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen rund um die im Museum Neukölln gezeigte Ausstellung "Buried Memories - Vom Umgang mit dem Erinnern. Der Genozid an den Ovaherero und Nama". Zeitweilig war die Idee im Gespräch, den Schutztruppenstein am jetzigen Standort zu belassen, ihn aber zu verfremden, indem er einfach umgedreht und vor Ort kontextualisiert wird. Das wird nun erst einmal nicht weiter verfolgt. 

 

Hintergrund: Worum geht es beim "Hererostein"?

 

Der Schutztruppenstein ehrt mit einer Inschrift den "Heldentod" von namentlich 7 deutschen Soldaten, die zwischen 1904 und 1907 in der ehemaligen Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" starben. Sein ursprünglicher Standort war lange Zeit das Gelände der Kaserne des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2. nähe Urban- und Baerwaldstraße. Nach Abriss der Kaserne ist der Stein 1973 auf den Friedhof Columbiadamm umgezogen. Die Afrika-Kameradschaft Berlin und der Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen haben Renovierungen und Ergänzungen am Stein vorgenommen, so dass sich hier nun eine Ehrung aller in Afrika gefallener deutscher Soldaten findet. (Cahn 2022, 187f.)

 

In den 2000'er Jahren regte sich zunehmend Kritik lokaler Initiativen an der öffentlichen Ehrung von Soldaten, die offensichtlich an einem Völkermord teilgenommen hatten. Die Forderung nach einer Kontextualisierung wurde laut. Deswegen bekam der Kolonialgedenkstein 2009 eine zusätzliche Gedenkplatte am Boden im Umriss des heutigen Namibia. Die Inschrift gedenkt der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft von 1884 bis 1915, insbesondere der des Kolonialkrieges 1904 - 1907. Und Wilhelm von Humboldt lässt wissen: "Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft."

 

Doch so ganz wollte man der Vergangenheit dann doch nicht ins Auge sehen: Das Wort "Völkermord" musste noch 2009 bei der engen Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amt, der Senatskanzlei, der namibischen Botschaft und der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln unbedingt vermieden werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen protestierten scharf gegen diese Verharmlosung. Die offizielle Anerkennung des Vernichtungskrieges deutscher Truppen gegen die Herero und Nama durch die Bundesregierung kam erst 2015. Schätzungen beziffern die Anzahl der Toten auf 60.000 bis 100.000 (Cahn 2022, 188ff)

 

120 Jahre nach Beginn des Völkermords an den Herero und Nama gibt es in Deutschland noch immer kein zentrales Mahnmal, das an die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft erinnert. Zudem stecken die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Namibia über den Umgang mit dieser Vergangenheit fest. Das ist das Terrain, auf dem sich das Museum Neukölln bewegt. So wird wohl der entfernte Schutztruppenstein in Zukunft eine Lücke in der Erinnerungskultur füllen müssen.

 

 

Quellen und Literatur:

 

  • Flavia Cahn, 1907 - Der "Afrikastein" erinnert an den "Heldentod" deutscher Soldaten in "Südwest", in: Natalie Bayer / Mark Terkessidis (Hg.), Die postkoloniale Stadt lesen - Historische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg, Berlin 2022, S. 187ff.
Interaktive Karte Friedhof Columbiadamm

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